Es rumpelt im Bauch des alten Frachters. Wenn schwere Holzbohlen unter Stiefel- und Turnschuhsohlen ein polternd schwankes Eigenleben führen, dann ist das für einen Wettstreit der nur durch wenige Zentimeter Stahl von den Elbwellen getrennt ist, gar keine schlechte Ouvertüre. Ist das Regen, der da wütend auf das Deck peitscht und wie Kettenrasseln im Frachtraum wiederhallt? Und selbst wenn nicht. Dieser Ort ist Zuflucht heute Nacht:
Dor buten geiht de Welt to kehr,
doch wi, wi sünd binand.
Wi hier binnen holt us fast
Un buten bruust een Storm över dat Land
Wi snackt, wi swiegt, wi ween tosamen
Un mennigmool weert lacht,
Und wann de Storm ok höölt un bruust
Wi sünd binand in düsse Nacht.
Und wir denken an die, die es vielleicht nicht so trocken haben in dieser Nacht, besonders weil Kampf der Künste zum Benefizslam zu Gunsten von Hinz&Kunzt gerufen hatte. Hinz&Kunzt ist das auflagenstärkste deutsche Straßenmagazin und wird seit 1993 im direkten Straßenverkauf von obdach- und wohnungslosen Menschen oder Menschen in anderen prekären Lebenslagen vertrieben. Soweit ich weiß, kaufen die Verkäufer eine Ausgabe selbst für 1,10 Euro und verkaufen sie dann für den festgelegten Verkaufspreis von 2,20 Euro weiter. So sind sie nicht auf Almosen angewiesen, sondern tragen selbst zu ihrem Lebensunterhalt bei. Ganz nebenbei ist das echt ein ziemlich gut gemachtes Heft mit vielen spannenden Ideen und einer Perspektive, die andere Magazine nicht bieten (können).
Zusammen waren wir also, die Victoria Helene, die natürlich blonden Philipp und Johannes, Zoe, Hinnerk, Elisa Rasmus, Helene, Lucia und Johanna. Und es war nicht nur ein bisschen spannend, dass das Backstagekabuff ein Escape-Game-Raum war. Nicht auszudenken, wenn da jemand die Tür, also so ganz aus Versehen, zufällig zugemacht hätte und keiner von uns bis zum nächsten Benefizslam das Licht der Sonne nicht mehr wiedergesehen hätte.
Oder doch: Die Hamburger Slam-Landschaft wäre mit einem kurzen Blick in die Runde natürlich nur bedingt ärmer geworden, wenn auch Arne Poeck vermutlich nicht mehr ganz so viel zusammenzufassen gehabt hätte in der nächsten Zeit.
Nein, mehr als Gevatter Slam hätten wohl wir selbst gelitten. Denn das hoch komplex wirkende Räderwerk, das die kompletten Wände bedeckte, wäre von praxisfremden doppellinkshändern wie uns sicherlich nicht zu entschlüsseln gewesen. Nachdem uns nach wenigen Tagen das mitgeführte Papier und zudem jegliche Stromreserven ausgegangen wären, hätten wir, wie es Autoren – und ja ich nenne sie mit auch wenn es gerade nicht eben vorteilhaft für sie ist aber mitgeschlendert mitgegendert – Autorinnen nun einmal eigen ist, Klageschriften mit Kronkorken in die Wandfarbe auf kühlem Stahl geritzt. Hinnerks Kreuzfahrttexte wären dann gänzlich ohne Spaß dahergekommen. Helenes Anita hätte sich winselnd in die Ecke verkrochen, Zoes Wüste noch ein bisschen staubiger, Lucias Füße noch zertanzter, „natürlich blonds“ Sehnen noch ein bisschen verzweifelter, Victorias Selbstaufgabe – nachdem sie sauber gemacht hätte – noch fataler und Johannas Bilder noch finaler … Aber es hat ja keiner die Tür zugeschoben, so ist dieser Kelch an uns vorbeigegangen und die frische Hafenbrise hatte eine wackere Schar unverzagter Texter schließlich wohlbehalten wieder.